108. Das Jobwunder, das keines ist
Sonntag, 2. Januar 2011 | Autor: intern
Frankenlied
Das Jobwunder, das keines ist
Von Sven Böll
Warum immer nur die ….
Die Regierung feiert sich: In Deutschland gibt es so wenige Arbeitslose wie zuletzt vor 18 Jahren, die Zahl der freien Stellen legt deutlich zu. Doch die offiziellen Daten beschönigen die tatsächliche Lage auf dem Jobmarkt. Noch immer fehlen Millionen Jobs.
Hamburg – Ursula von der Leyen weiß, wie eine Politikerin sich perfekt inszeniert. Am Mittwoch stand die Arbeitsministerin vor einer Stellwand mit der Aufschrift “Weniger als 3 Mio Arbeitslose wollen wir nicht feiern, sondern in Arbeit bringen”, breitete ihre Gehet-hin-in-Frieden-Arme aus und feierte sich dann doch: Dass die Arbeitslosigkeit auf den niedrigsten Wert seit 18 Jahren zurückging, sei ein “Erfolg für die Menschen, für die Tarifpartner, für die Regierung Merkel und für die Mitarbeiter der Bundesagentur”.
Bei so viel Schulterklopfen wollte der Wirtschaftsminister nicht zu kurz kommen. Rainer Brüderle kramte tief in seiner Metapherkiste: “Wir befinden uns auf der Schnellstraße zur Vollbeschäftigung.” Der deutsche Arbeitsmarkt entwickle sich “vom Sorgenkind zum Musterschüler”.
Alles prima also in Deutschland? Schön wär’s!
Zwar sind offiziell nur noch knapp 2.950.000 Menschen ohne Arbeit. Das ist, keine Frage, zunächst einmal eine gute Nachricht. Zumal es vor wenigen Jahren noch fünf Millionen waren. Allerdings sagt diese amtliche Jubelzahl nur bedingt etwas über die tatsächliche Situation auf dem Arbeitsmarkt aus.
Entscheidend ist,
• welche Jobs die einstigen Arbeitslosen bekommen,
• wie hoch die tatsächliche Unterbeschäftigung ist
• und ob die Arbeitslosenquote in Zukunft weiter sinkt.
Zu diesen Aspekten hört man wenig von den zuständigen Politikern. Dass sich von der Leyen, Brüderle und Kanzlerin Angela Merkel bei den Details zum Arbeitsmarkt vornehm zurückhalten, hat einen simplen Grund:
Diese sind nicht wirklich prickelnd.
Viele Menschen tauchen in der Statistik nicht auf
Zwar steigt die Zahl der Menschen, die überhaupt arbeiten gehen, seit Monaten. Das ist positiv für eine Volkswirtschaft. Nur boomen vor allem geringfügige und unsichere Formen der Beschäftigung.
Es gibt rund fünf Millionen Deutsche, die zum Beispiel einen 400-Euro-Job haben. Mehr als 2,2 Millionen verdienen sich mit einem Mini-Job etwas dazu.
Und wer eine vermeintlich feste Anstellung findet, landet immer öfter bei einer Zeitarbeitsfirma. Die Branche feiert derzeit einen Rekord nach dem anderen. 900.000 Deutsche arbeiten trotz der wirtschaftlichen Erholung nur dann, wenn sie gerade gebraucht werden.
Die Regierung verweist gerne darauf, dass auch die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Stellen zunimmt. Es gibt inzwischen wieder 28 Millionen Arbeitnehmer, die über ihre Abgaben den Sozialstaat finanzieren. Wenn dies 28 Millionen Menschen tun, und nicht mehr 26,5 Millionen wie vor einigen Jahren, ist auch das ein Erfolg. Der allerdings durch einen kleinen historischen Rückblick arg relativiert wird. 1992 – also in dem Jahr, in dem es zuletzt so wenige offiziell Arbeitslose gab wie derzeit – waren es noch weit über 29 Millionen.
Hinzu kommt: Viele Menschen tauchen überhaupt nicht in der Statistik auf – obwohl sie de facto arbeitslos sind. Fast 1,5 Millionen Deutsche befanden sich zuletzt in staatlicher Beschäftigungstherapie. Sie arbeiteten als Ein-Euro-Jobber, waren in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder machten irgendeine Qualifizierung. Das Gros dieser Menschen empfindet sich als arbeitslos – ist es nach amtlicher Lesart aber nicht.
Auch gibt es Hunderttausende Leistungsempfänger, die nicht als arbeitslos gelten, von denen viele aber gern einen Job hätten. Etwa alleinerziehende Mütter, die keinen Kita-Platz für ihre Kinder finden oder Personen, die aus Kostengründen ihre Angehörigen selbst pflegen.
1,2 Millionen Arbeitslose haben keine Berufsausbildung
Zusätzlich gehören mehrere Hunderttausend Menschen zur sogenannten “Stillen Reserve”: Sie möchten potentiell arbeiten, suchen aber nicht aktiv nach einer Stelle. Das kann etwa die studierte Zahnarztfrau sein, die mit Mitte 50 eigentlich einen zweiten Jobfrühling erleben will, sich aber keine wirklichen Chancen ausrechnet und deshalb den Nachmittag auf dem Golfplatz verbringt.
Zählt man alle diese Personen zusammen (und rechnet diejenigen heraus, die in mehreren Statistiken auftauchen), fehlen unterm Strich wohl 4,5 Millionen Stellen. Vielleicht sogar fünf Millionen. Das ist, zugegeben, eine Maximalbetrachtung. Aber sie zeigt, dass es mindestens 50 Prozent mehr Arbeitslose gibt, als die Regierung durch ihre Drei-Millionen-Jubelmeldung suggeriert.
Von der derzeitigen wirtschaftlichen Erholung profitieren, auch das ist nicht wirklich eine überwältigende Nachricht, vor allem die Arbeitslosen, die eh schon immer leicht Jobs gefunden haben: jüngere, gut ausgebildete und flexible Menschen.
Doch eines der größten Probleme des Arbeitsmarktes ist die extrem hohe Langzeitarbeitslosigkeit. Immerhin mehr als jeder Dritte der offiziell gut 2,9 Millionen Arbeitslosen ist seit mehr als einem Jahr ohne Beschäftigung. Im Vergleich zum Vorjahr beträgt der Rückgang geradezu lächerliche 1,1 Prozent.
Viele der verbliebenen Arbeitslosen werden selbst im Aufschwung Schwierigkeiten haben, eine reguläre Beschäftigung zu finden. Ihnen fehlt das, was Arbeitgeber suchen: eine vernünftige Qualifikation. Fast 450.000 Jobsuchende haben keinen Schulabschluss, sogar 1,2 Millionen sind ohne abgeschlossene Berufsausbildung.
Die wahren Probleme des Arbeitsmarktes bleiben also. Doch die Jubelmeldungen der Regierung werden trotzdem weitergehen. Denn die Zahl der Arbeitslosen geht schon allein dadurch um 200.000 pro Jahr zurück, dass viele ältere Arbeitnehmer aus dem Berufsleben ausscheiden, aber nur wenige jüngere nachkommen.
Bayern feiert die Arbeitslosenquote von 3,8%
Mittelfranken ist Schlusslicht mit 4,8%! Die restlichen Zahlen muss man sich mühsam zusammensuchen: Gesamt-Franken hat eine Arbeitslosenquote von 4,3%!
1. Niederbayern 3,3%
2. Oberpfalz 3,5%
3. Oberbayern 3,6%
4. Unterfranken 3,6%
5. Schwaben 3,7%
6. Oberfranken 4,4%
7. Mittelfranken 4,8%
Bei den einzelnen Orte bzw. Bezirke ist die Lage noch prekärer: Stadt Nürnberg 8,2%, Kreis Nürnberg 5,5%; Hof 5,3%; Bayreuth 4,6% und Coburg 4,7%! Und diese befinden sich allesamt in Franken! Also sollte der Freistaat sich mal hierauf konzentrieren, anstatt eine eh schon boomende Region 2018 mit Winterspiel(ereien) weiter aufzuwerten! Wann endlich wachen die Franken auf!
Passend zum Thema: Arbeitslosenzahlen: Was die Statistik verbirgt (tagesschau.de)
Bayern feiert natürlich mit: Unter 4 Prozent! Aber auch hier lohnt sich ein genauer Blick: